Bis zu 20.000 Umdrehungen: Zukunftsantrieb für die Schiene
Verbindung von Ökologie und Ökonomie
Der weltweite Trend zur Dekarbonisierung macht auch vor der Schiene nicht Halt. Mit Unterstützung des Bundeswirtschaftsministeriums arbeiten sechs deutsche Unternehmen und Forschungsinstitute an Antriebslösungen, die Ökologie und Ökonomie zusammenbringen.
Sowohl im Personenverkehr als auch für Transport und Logistik wächst die Bedeutung des Verkehrsträgers Schiene. Zuverlässig, schnell, energieeffizient, nachhaltig, leicht und wartungsarm sollen die Schienenfahrzeuge sein. Anforderungen, mit denen sich die Techniker und Produktmanager am VINCORION-Standort in Altenstadt bereits auseinandersetzen – zum Beispiel als zuverlässiger Partner von Energieaggregaten auch für Alstom.
Mit 20.000 Umdrehungen zur maximalen Effizienz
Für Unternehmen wie Alstom und gleichsam für die Betreiber und Verkehrsunternehmen rücken die Lebenszykluskosten auf der Schiene immer stärker in den Fokus. Maßgeblich werden diese vom Energieverbrauch und den gewichtsabhängigen Trassengebühren beeinflusst. Soll hier gespart werden, rentiert sich ein Blick auf den Antrieb der Schienenfahrzeuge. Schaut man sich die aktuellen Antriebssysteme in Bahnanwendungen an, arbeiten diese mit Drehzahlen bis maximal 6.000 Umdrehungen pro Minute. „Steigern wir die Motordrehzahl signifikant und schaffen so eine größere Leistungsdichte, wird der Antrieb wesentlich leichter und damit auch energieeffizienter“, erklärt Jürgen Brunner. „Unsere Ziele sind deutliche Einsparungen von Gewicht und Volumen beim kompletten Antriebsstrang und somit eine signifikante Effizienzsteigerung über eine Erhöhung des Gesamtwirkungsgrads.“ Sein Spezialgebiet bei VINCORION sind zivile Anwendungen und Forschungsprojekte. Eines dieser Projekte ist genau die Fragestellung nach leichten und maximal energieeffizienten Antriebssystemen, die im Verbundprojekt „Modellierung und Test neuartiger, hocheffizienter und hochintegrierter Antriebssysteme für Bahnanwendungen“ – kurz MTAB – untersucht wird.
Von der Simulation zum Praxistest
Dafür arbeitet Jürgen Brunner gemeinsam mit seinem Projektteam an einem Prototyp für den Straßenbahnmotor der Zukunft, der genau diese Voraussetzungen erfüllt. „20.000 Umdrehungen sind nicht trivial. Allein die Fliehkräfte und die Ansteuerung sind Herausforderungen, denen wir uns stellen“, erklärt er. Dafür wird der Antriebsmotor in Altenstadt entwickelt und zu einem Prototyp zusammengebaut. Ob der Prototyp in der Praxis bestehen kann, soll der Betrieb und Systemtest auf einem Prüfstand bei Alstom unter praxisbezogenen Lasten zeigen. „Wenn alles klappt, erhalten wir dann ab Mitte 2021 erste Testergebnisse aus dem Systemtest im Labor bei Alstom“, sagt Jürgen Brunner.
Vertrauen in Kernkompetenzen
Mit „Wir“ sind alle sechs Projektpartner gemeint, die am Projekt MTAB zusammenarbeiten und dabei über das Programm „Neue Fahrzeug- und Systemtechnologien“ des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWi) gefördert werden. Neben VINCORION beteiligen sich das Institut für Fahrzeugsystemtechnik (FAST) am Karlsruher Institut für Technologie (KIT), das Fraunhofer-Institut für Integrierte Systeme und Bauelementetechnologie IISB, Stadler Mannheim, die usb Gesellschaft für Unternehmensberatung und Systementwicklung mbH sowie Projektkoordinator Alstom mit ihren Kompetenzen am Forschungsprojekt. „Gemeinsam haben wir einzelne Arbeitspakete festgelegt, halten uns regelmäßig über Arbeitsergebnisse auf dem Laufenden und legen die weiteren Schritte fest“, erklärt Jürgen Brunner. Vertrauen in die Kernkompetenzen der anderen Partner ist dabei entscheidend.
Innovative Lösungen zu entwickeln heißt auch, Risiken zu akzeptieren
„Für uns bietet das Projekt nicht nur die Möglichkeit, unsere Expertise im Bereich Bahnverkehr einzubringen, sondern sie auch um neue technologische Ansatzpunkte – und immer mit Blick auf das Gesamtsystem – zu erweitern“, fasst Jürgen Brunner zusammen. „Denn letztendlich entstehen Innovationen durch den Mut, Herausforderungen anzunehmen, Risiken zu akzeptieren, aus Rückschlägen zu lernen und daraus wettbewerbsfähige Lösungen zu entwickeln.“
*Es wird konstruiert: Motor mit Motorwelle und elektrischem Anschluss sowie Drehgeber.
*Die Lösung muss sich zunächst im Systemtest im Labor bei Alstom beweisen.
*Zukunftsantrieb für die Schiene: Mit Unterstützung des Bundeswirtschaftsministeriums arbeiten sechs deutsche Unternehmen und Forschungsinstitute an Antriebslösungen, die Ökologie und Ökonomie zusammenbringen.
Bilder: Alstom, VINCORION.