Ein Erfahrungsbericht von der InfoDVag Heer 2023
In der Verteidigungsindustrie gilt wie überall: Um passende Lösungen und Produkte zu entwickeln, müssen wir die Anforderungen unserer Kunden genau verstehen. In unserem Fall gehört dazu, sich intensiv mit den Abläufen und Einsatzszenarien bei der Bundeswehr zu beschäftigen. Die Dienstliche Veranstaltung zur Information im Heer (InfoDVag H) bietet die Möglichkeit, einen real erlebbaren Einblick in den täglichen Dienst der Streitkräfte zu erhalten. Unser Kollege Bjane Jacobsen, Business Process Analyst bei VINCORION, hat diesen einwöchigen Lehrgang absolviert. Hier berichtet er von seinen Erfahrungen bei der Bundeswehr in Munster:
26.06.2023 – „Eine bunte Mischung“
Wir starten als eine bunte Mischung, aus allen Regionen Deutschlands, von 24 bis 64 Jahren, weiblich und männlich. Dabei sind beispielsweise Bibliotheksleiter, Sozialarbeiter, IT-Spezialisten, Richter, Regierungsbeamte, Bürgermeister, Pfarrer oder Abgeordnete aus dem Bundestag. Mit dem Anlegen der Uniform legen wir unseren Alltag für eine Woche ab. Mein größter persönlicher Härtetest zu Beginn: eine Woche telefonisch nicht erreichbar.
Nach einer kurzen Einführung in den Formaldienst – Marschieren, Grüßen, Antreten – werden wir mit Schulterschlag vorübergehend zum Oberleutnant der Reserve ernannt. Besonderes Highlight am ersten Tag bildet unser feierliches Gelöbnis im Beisein von unserem Brigadegeneral, unterstützt durch das eigens dafür angereiste Marinemusikkorps aus Wilhelmshaven sowie einer Ehrenformation.

27.06.2023 – „Nichts ist so beständig wie die Lageänderung“
5:30 Uhr – „InfoDVag, AUUUFSTEHEN!“, hallt durch die Gänge vor unseren Stuben. In weiser Voraussicht haben sich manche ihre Wecker bereits einige Minuten zuvor gestellt, andere quälen sich nun aus dem Nachtlager. Nach dem gemeinsamen Frühstück folgt die Presseschau durch den Presseoffizier der Panzertruppenschule. Unser Brigadegenereal stellt die Ausbildung im Heer vor. An seinen Vortrag schließt sich eine lebhafte Diskussion an.
Danach geht es zum Exerzierplatz. Beim Aussteigen aus den Bussen donnern zwei NH90 Hubschrauber der Heeresflieger über uns hinweg. Zum Glück haben alle ihre Schutzbrillen auf, sodass die herumwirbelnden Zweige und der Staub kein Problem darstellen.
Ausführliche Sicherheitseinweisungen durch die Besatzungen bereiten uns auf den Flug vor. Die Gruppen 1 und 2 können planmäßig zum Truppenübungsplatz verlegt werden. Den anderen ist das Wetter dann nicht mehr so wohlgesonnen… Aufgrund eines aufziehenden Gewitters müssen Gruppe 5 und 6 im Regen auf den Air-Bus-Ersatzverkehr warten, während die Gruppen 3 und 4 ihre Mittagsverpflegung außerplanmäßig am Fliegerhorst Faßberg genießen. Wir lernen: Nichts ist so beständig wie die Lageänderung.
Mit dem TPz Fuchs und ATF Dingo geht es in rasanter Geländefahrt zum Orientierungsmarsch. Das gemeinsame Lösen der Aufgaben stärkt die Kameradschaft mit jeder Station. Besonderes Highlight ist die Gruppenaufgabe zum Überwinden von Hindernissen – „Minen-Spinnennetz“ sowie eine Schlauchbootfahrt.
28.06.2023 – „Im Zeichen der schweren Kräfte“
Jetzt kommt „Heavy Metal“, denn der heutige Tag steht im Zeichen der schweren Kräfte, also der Kettenfahrzeuge. Wir ziehen Lose für Geländefahrten mit den Panzern Marder, Puma und Leopard 2. Mit über 50 km/h wühlen sich die Ketten durch den Heidesand, Äste streifen dicht über unsere Köpfe und Staub vernebelt den Himmel. Wir erleben die Fahrt im Gefechtsraum der Schützenpanzer und staunen, wie eng es für die Soldaten hier ist. Ein Panzervernichtungstrupp der Panzergrenadiere zeigt in seiner Vorführung eindrucksvoll, wie abgesessen und aufgeklärt wird.
Dann stehen wir am Schützengraben. In einem gleichermaßen beeindruckenden Szenario demonstriert uns die Panzertruppe ihre präzise Abstimmung der verbundenen Kräfte im Feuerkampf. Wir erleben Leopard 2, Puma, Marder sowie abgesetzte Panzergrenadiere im scharfen Schuss. Außerdem lernen wir die Aufklärungseinheit mit Fennek, Fuchs und der Drohne Luna kennen.

29.06. und 30.06.2023 – „Altes Eisen, große Emotionen“
Alles wie immer: Aufstehen 5:30, Frühstück, Presseschau. Routine stellt sich ein. Special Guest: Inspekteur des Heeres, Generalleutnant Alfons Mais, spricht zur Zukunft der Bundeswehr und den politischen Hintergründen von Entscheidungen. Lebhafte Diskussion mit der Spitze des Heeres.
Danach folgt eine didaktische Einweisung in die Handwaffen des Heeres, ein besonderer Fokus liegt auf der Sicherheits- und Schießtechnik. Kompetente Anleiterinnen und Anleiter aus dem laufenden Offizierslehrgang geben wertvolle Tipps – erst am Simulator, dann am Schießstand. Parallel lernen wir das Leben im Felde kennen: Feuer machen, Trinkwassergewinnung und Dackelgarage bauen.
Ein weiteres Highlight: Der Besuch im Panzermuseum Munster. Altes Eisen – große Emotionen. Die Entwicklung der Panzer fasziniert. Von den ersten Modellen wie dem Panzerkampfwagen A7V über Königstiger bis zum Leopard 2.
Fazit – „Der Feldanzug verbindet“
Es waren intensive Tage mit außergewöhnlichen, für uns nicht alltäglichen Einblicken in die Bundeswehr. Das abwechslungsreiche Programm aus Fachvorträgen, lebhaften Diskussionen, umfangreichen Vorführungen und vielen eigenen hautnahen Erfahrungen wird uns auch in Zukunft begleiten. Alle Lehrgangsteilnehmenden beschlich ein grobes Verständnis davon, was Kameradschaft bedeutet. Der Feldanzug verbindet.
Die Stimmung war heiter, gleichwohl beschäftigten uns die ernsten Themen, für welche die Bundeswehr auch steht: Kampf, Verwundung und Tod. In der Bundeswehr von 2023 treffen wir auf Soldaten aus Ungarn, Thailand, Brasilien, Südkorea, Italien und auch aus der Ukraine. Wir sind beeindruckt von jungen Frauen und Männern, die hoch kompetent und motiviert ihre Aufgaben erfüllen. Unser großer Respekt gebührt den Angehörigen der Bundeswehr, die unsere demokratischen Werte und Freiheit verteidigen. Auch wir haben verstanden, was wehrhafte Demokratie bedeutet und wie notwendig sie ist.
Fotos: VINCORION / Bjane Jacobsen
Der Schutz von Großstädten und Siedlungen, von Energieanlagen oder der Infrastruktur vor Bedrohungen aus der Luft wird kontrovers diskutiert. Gerade seit den verstärkten russischen Raketenangriffen auf die Ukraine drängt sich die Frage auf, was Abwehrsysteme leisten können – und, welche in Deutschland eingesetzt werden. Am Rande des Treffens der NATO-Verteidigungsminister in Brüssel haben 14 europäische Staaten und Deutschland gerade erst den „Letter of Intent“ zur Gründung einer European Sky Shield Initiative (ESSI) zur Luftverteidigung unterzeichnet – denn bei der Verteidigung gegen Bedrohungen aus der Luft und dem Weltraum hat Deutschland Nachholbedarf. Das Technologieunternehmen VINCORION aus Wedel bei Hamburg, selbst Zulieferer für die Energieversorgung von Abwehrsystemen, gibt einen Überblick zum Thema Schutzschirme.
Diese Systeme sind in der NATO im Einsatz
„Ein wirkungsvoller Schutzschirm besteht aus mehreren Systemen, die aufeinander aufbauen, verknüpft sind und sich wie eine Kuppel aufspannen“, erklärt Dr. Stefan Stenzel, Geschäftsführer von VINCORION. Das bekannteste Abwehrsystem ist „Patriot“ des Herstellers Raytheon, das schon seit den 1980er Jahren auf dem Markt ist und ständig weiterentwickelt wird. Die aktuelle Version ist „Patriot PAC-3 MSE“. Der Patriot-Lenkflugkörper kann bis zu fünf Ziele gleichzeitig bekämpfen, etwa ballistische Raketen, die er direkt trifft. Es sind Systeme mit unterschiedlichen Reichweiten im Angebot, beispielsweise hat ein System der Bundeswehr knapp 70 Kilometer Reichweite. Da Patriot fortlaufend verbessert wird, wird es bis über das Jahr 2040 hinaus im Einsatz sein.
„Bei der Modernisierung und der Anpassung an aktuelle Verteidigungsszenarien spielt die Energieversorgung eine Hauptrolle, kommen doch immer mehr und vor allem leistungsfähigere Komponenten zum Einsatz“, sagt Stefan Stenzel. „Das ist der Fall etwa bei der Auslegung neuer Radare wie dem LTAMDS-Radar oder bei der Bildung ganzer Schutzschirme, die zudem mitwachsen und per Plug-and-Fight-Funktion miteinander verknüpfbar sein sollen.“ Gleichzeitig seien aber auch ressourcenschonende Komponenten gefordert, hinsichtlich der Emissionen, aber auch der Kraftstoffverbräuche und damit der Einsatzkosten.
Ein weiteres System ist das US-amerikanische „THAAD“ („Terminal High Altitude Area Defense“), das in der mittleren Reichweite von rund 200 Kilometern eingesetzt wird, von den USA wie von den Vereinigten Arabischen Emiraten. Dieses System kann Raketen in der letzten Phase ihres Fluges aufhalten.
In die Schlagzeilen gekommen ist das neue System „IRIS-T“ aus Deutschland, von dem ein erstes Exemplar gerade an die Ukraine geliefert werden konnte. Es wurde bisher nur an wenige Länder ausgeliefert, die Bundeswehr selbst wird wahrscheinlich noch damit ausgerüstet werden. Aber die Raketen, mit denen es arbeitet, sind erprobt, da sie auf einer Entwicklung für den Eurofighter basieren. „IRIS-T“ kann Jets, Hubschrauber, Kurzstreckenraketen, Drohnen und Lenkflugkörper mit einer Reichweite bis zu 40 Kilometer bekämpfen.
Für den äußeren Teil der Schutzschirme, die sich wie Kuppeln aufbauen, plant Deutschland die Anschaffung des israelischen Systems „Arrow 3“, das Lang- und Mittelstreckenraketen mit einer sehr hohen Reichweite abfangen kann. Die Entwicklung begann mit dem „Arrow“ bereits 1986 in Israel unter US-Beteiligung. Das neue „Arrow 3“ gilt als sehr flexibel, feindliche Raketen sollen durch direkte Treffer zerstört werden. Der Schutzschirm der neuen „European Sky Shield Initiative“ könnte aus den drei Systemen „IRIS-T“, „Patriot“ und „Arrow 3“ bestehen.
In Frankreich und Italien wird das System „SAMP/T“ gefertigt, das seit 2002 einsatzfähig ist. Das Abwehrsystem kann mit unterschiedlichen Raketen bestückt werden, die eine Reichweite zwischen 30 km („Aster 15“) und bis zu 120 km erreichen („Aster 30“). Die Raketen sind kleiner als beim „Patriot“-System.
In die Ukraine liefern die USA jetzt das System „NASAMS“, das in Norwegen und den Vereinigten Staaten gebaut wird. Es kann mit „Patriot“ gekoppelt werden, das für die größeren Reichweiten gedacht ist. Aktuell erreicht das System „NASAMS 3“ eine Reichweite von bis zu 50 Kilometern. In Europa wird dieses System für einen Schutzschirm beispielsweise von Litauen und den Niederlanden verwendet.
Diese Systeme gibt es außerdem noch:
Führend ist auch die israelische Industrie, die mit „Davids Sling“ (bis 160 km) und dem „Iron Dome“ (bis 17 km) beispielsweise zwei sehr fortschrittliche Abwehrsysteme fertigt, die jedoch nicht an die Ukraine geliefert werden.
Von russischer Seite sind die Systeme S-300 und S-400 im Einsatz, deren Trefferquoten in Untersuchungen der NATO weniger gut abgeschnitten haben als beim Patriot-System. Die Ukraine verfügt über das S-300 und erzielte damit bei den jüngsten Raketenanschlägen Abfangquoten von bis zu 50 Prozent. Es hat eine Reichweite von 75 bis 100 km.
Deutschland plante zwischenzeitlich die Entwicklung eines weiteren eigenen Systems, des TVLS, das auf dem Projekt „MEADS“ basierte. Der Bundestag hatte aber 2020 per Beschluss die Weiterentwicklung gestoppt. Weitere Länder, die Schutzschirme entwickeln und herstellen, sind Indien und China sowie Taiwan.
Wie funktioniert ein modernes Abwehrsystem?
Ein Radar sieht sich den Luftraum über einem bestimmten Gebiet an. Es kann eine Freund- / Feind-Erkennung durchführen, die interpretiert wird. Dabei werden alle Luftfahrzeuge erfasst, denn es geht ja nicht nur um Flugzeuge, sondern auch um Raketen und größere Drohnen. Entdeckt das Radar einen Feindkontakt, so wird die Abwehrrakete gestartet. In Zusammenarbeit mit dem Radar kann die Rakete auch noch nachgesteuert werden, bis sie schließlich das Flugobjekt trifft und unschädlich macht.
Dabei kommt es auf eine jederzeit sichere Energieversorgung an: VINCORION liefert die Energie für das Radarsystem und den Raketen-Launcher von Patriot und den Launcher von IRIS-T. „Das besondere ist das Lastprofil des Systems“, erklärt Stefan Stenzel. Über den Verlauf des Einsatzes hinweg gebe es immer wieder besondere Lasten, für die Energie bereitgestellt werden müsse. Hybrid-Systeme können deutlich effizienter sein, da sie den Betrieb am Netz ermöglichen, wenn ein System stationär betrieben wird. Stefan Stenzel: „Die Herausforderung ist, immer so viel Energie zu liefern, wie benötigt wird – auch unter Umweltaspekten ein wichtiges Vorhaben.“
Patriot ist transportabel, aber zukünftige Systeme sollen auch in Containern untergebracht werden. Die Module sollen eine einheitliche 20-Fuss-Transportschnittstelle zum Trägerfahrzeug erhalten – das macht die Logistik einfacher und die Aggregate gut einsetzbar.
„IRIS-T“ besteht beispielsweise aus der Radaranlage, dem Gefechtsstand und dem Raketen-Starter, die auf Lastwagen montiert sind. Mehrere Systeme können gekoppelt werden und so einen effektiveren Schutzschirm bilden.
Was kann der Ukraine helfen?
Die Ausrüstung mit IRIS-T scheint in der Tat für die Ukraine sehr hilfreich im Krieg mit Russland zu sein. Zunächst ist ein erstes „IRIS-T“ geliefert worden, im Laufe des Jahres 2023 sollen drei weitere dazukommen. Ob die Ukraine aber ein „Patriot“-System bekommt, die Kiewer Regierung warb dafür bei den USA, ist noch unklar.
Vom „NASAMS-3“-System wurde aus den USA eine Einheit geliefert, bis zu sieben weitere sollen folgen. Die Sorge davor, dass ein Raketenschutzschirm in die Hände Russlands fallen könnte, dürfte laut manchen Experten bei einigen Systemen auch eine Rolle spielen. Bislang wollen Frankreich und Italien ihr System nicht liefern. Dort ist aber Bewegung ins Spiel gekommen: Frankreich will grundsätzlich ein System liefern, hält sich mit Details aber noch zurück.
Für die Systemen, die an die Ukraine geliefert werden, seien es nun „IRIS-T“ oder „NASAMS“, gilt allerdings: Sie müssen erst noch produziert werden. Bei der Herstellung und dem Betrieb sind ressourcenschonende Komponenten gefordert, und zwar in Bezug auf die Emissionen, aber auch auf Kraftstoffverbräuche und Einsatzkosten. VINCORION kommt dabei seine Erfahrungen mit mobilen, hybriden Stromversorgungsaggregaten zugute, so wie sie das Unternehmen in den neuen SEA-Aggregaten („Stromerzeugungsaggregate“) an die Bundeswehr liefern wird.



