German Mut: Warum Deutschland eine verteidigungspolitische Führungsrolle anstreben muss

So schaffen wir Souveränität und Wettbewerbsfähigkeit

Kanpitcha Nonnittayanan
Auf die zukünftige Bundesregierung warten in den nächsten vier Jahren und darüber hinaus wegweisende Herausforderungen und Entscheidungen. Eine wesentliche Rolle spielen dabei Haltung zur und Entwicklung der Verteidigungspolitik – und damit der wehrtechnischen Industrie. Das zeigen nicht zuletzt die unkontrollierbare Lage in Afghanistan, die mangelnde Einsatzfähigkeit der Europäischen Gemeinschaft, die unklare Positionierung gegenüber Russland und China, die Beziehung zu den USA und die schwindende Wettbewerbsfähigkeit der Schlüsselindustrien.

Wo stehen wir aktuell? Der Modernisierungsbedarf bei der Bundeswehr ist immens. Und dabei geht es schon lange nicht mehr nur um Ausstattung für Auslandseinsätze, an die wir uns seit Jahren gewöhnt haben. Wir erwarten von der Bundeswehr Einsatzbereitschaft in Flut-, Katastrophen- und Pandemiebekämpfung. Wir erwarten die schnelle und globale Einsatzbereitschaft bei Evakuierungsmissionen und natürlich verlassen wir uns auf die Fähigkeit zur eigentlichen Kernaufgabe, der Landes- und Bündnisverteidigung. Insbesondere die wird in den kommenden Jahren, gerade auch auf Druck unserer europäischen und transatlantischen Partner mehr Kapazitäten in Anspruch nehmen. Das erkennt die überwiegende Mehrheit in Politik und Gesellschaft auch an. Was ich vermisse, ist die folgerichtige Bereitschaft, unsere Streitkräfte auch für alle diese Einsatzszenarien auszurüsten. Wir als Industrie arbeiten seit je her daran unseren Soldatinnen und Soldaten das bestmögliche, zuverlässigste und effizienteste Gerät in ausreichender Zahl zur Verfügung zu stellen. Immer stärker nehmen wir dabei auch das Thema Ressourcen und Umweltschutz in den Fokus. Es ist an der Politik, hierfür den finanziellen Rahmen bereitzustellen. Und sich auch an Zusagen und Planungen zu halten.

David Maupilé

Technologische Führungsrolle übernehmen

Das fängt bei kleineren Beschaffungsvorhaben an und erstreckt sich über große zukunftsweisende europäische Gemeinschaftsprojekte. Voneinander zu lernen und zu profitieren ist ein hohes Ziel, das allen beteiligten Ländern und Industrien einen technologischen und wirtschaftlichen Schub verspricht. Ich spreche sicher für viele Unternehmerinnen und Unternehmer, wenn ich sage: Das unterstützen wir mit vollem Engagement! Aber diese Kooperationen müssen auf Gleichberechtigung der involvierten Partner basieren. Wir dürfen uns als deutsche Industrie, aber insbesondere auch als deutsche Politik bei den Vertragsgestaltungen nicht ausmanövrieren lassen. Das heißt auch, mutig bei Innovationen voranzugehen und Jahre – wenn nicht sogar Jahrzehnte – im Voraus schon Technologiesprünge als Grundlage für Zukunftsprojekte verbindlich zu fördern. Damit es eben nicht so läuft wie beim Future Combat Air System FCAS oder mein Main Ground Combat System MGCS.

David Maupilé

Innovationsmut auch für Exporte nutzen

Der größte Auftraggeber für heimische Verteidigungsbetriebe ist aktuell der deutsche Staat. Und der lässt seinen dazugehörigen Mittelstand häufig im Unsicheren zurück. Exportbeschränkungen und damit einhergehende hohe Produktionskosten bremsen die Betriebe im Wettbewerb aus. Wir sollten den Export von wehrtechnischem Material als eine Säule deutscher Außen- und Sicherheitspolitik begreifen. Denn wer unter strengen Auflagen überwiegend nur für einen Kunden produzieren darf, der immer geringere Mengen abnimmt, wird im Preiswettbewerb auf dem internationalen Parkett perspektivisch nicht mithalten können. Ohne eine realistische Aussicht auf Aufträge investieren Unternehmen aber in den seltensten Fällen in neue Technologien. Das schadet am Ende der gesamten Wirtschaft.

Ob sich das unternehmerische Risiko am Ende lohnt, darüber entscheidet leider noch viel zu oft die deutsche Bürokratie. Die ermüdend langwierigen Beschaffungswege für neues Material sind nur ein Beispiel dafür. Kürzere Entscheidungswege und größere Entscheidungsspielräume werden alle vier Jahre großflächig gefordert. Don´t sing it, bring it! Das Bürokratiemonster Bundeswehr muss in den kommenden Jahren ein Leuchtturm der Entbürokratisierung werden.

Europäische Antworten finden

Die Eskalation in Afghanistan im August hat erneut die große Abhängigkeit von den USA in militärischen Fragen unterstrichen. Europa weiß, dass es deutlich mehr tun muss. Und Deutschland muss und wird als wirtschaftlich stärkstes und bevölkerungsreichstes Land einen wesentlichen Teil zu Stabilität und Souveränität der Europäischen Gemeinschaft beitragen. Ein erster wichtiger Schritt ist bereits erreicht: Es besteht Einigkeit darin, die militärischen Fähigkeiten und Technologien verstärkt im Schulterschluss auszubauen. Dafür soll ein neuer Verteidigungsfonds grenzübergreifende Forschung und Beschaffung fördern.

David Maupilé

Internationale Zusagen einhalten

Nicht nur innerhalb Europas, sondern auch über die kontinentalen Grenzen hinaus müssen wir unsere Fähigkeiten und Gemeinsamkeiten weiter ausbauen. Das wird sich nicht zuletzt in akuten Bedrohungslagen deutlich. Damit sind wir bei der NATO, dem am längsten bestehenden Verteidigungsbündnis der Menschheit. Die Errungenschaften daraus – Frieden, Freiheit, Wohlstand – müssen auch in der Zukunft verteidigt, vielleicht sogar gestärkt werden. Das Zwei-Prozent-Ziel ist ein wichtiger Baustein dafür, der nach Innen und Außen wirkt. Denn es geht einerseits um internationale Zusagen und Zusammenarbeit, andererseits um moderne, technische Ausrüstung für unsere Soldatinnen und Soldaten. Und nicht zuletzt geht es um einen Innovations- und Investitionsschub für die Verteidigungsindustrie und Zulieferer – und damit die technologische und wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit des Landes. Bei allem zerbrochenen Porzellan in der Vergangenheit, bleiben die Vereinigten Staaten ein wichtiger, vielleicht der wichtigste, Partner in wirtschaftlicher, sicherheitspolitischer aber auch kultureller Dimension. Das wird auch eine künftige Bundesregierung so begreifen.

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