Zwischen Anforderung und Realität

Potenziale deutscher Wehrtechnik

sanjeri/iStockphoto
In der deutschen Verteidigungsindustrie sind Produktlebenszyklen von 30 oder 40 Jahren keine Seltenheit. Trotzdem – oder auch gerade deswegen – ist viel Bewegung im technologischen Alltag. VINCORION Managing Director Dr. Stefan Stenzel und Christoph Krüger-Leineweber, Vice President Projektmanagement und Engineering, haben im VDI Podcast „Technik aufs Ohr“ über Trends und Potenzial für die Wehrtechnik und Landesverteidigung gesprochen.

Ob an Land, zu Wasser oder in der Luft: Große Systemhäuser, öffentliche Auftraggeber und Original Equipment Manufacturer gehen langfristige Beziehungen zu ihren wehrtechnischen Zulieferern ein. Das passt auf den ersten Blick nicht ganz zur von Schnelligkeit und Veränderung geprägten Technologiewelt. „Mit den langfristigen Beziehungen geht auch immer eine besondere Art der Zusammenarbeit und des Austausches einher“, erklärt Christoph Krüger-Leineweber. „Letztendlich geht es nicht nur um Produktion und Auslieferung, sondern darum, die Weiterentwicklung, Modernisierung und Programmerhaltung gemeinsam voranzutreiben und dabei Erfahrungswerte und Kundenfeedback mit in die nächste Produktgeneration einfließen zu lassen.“

Jeibmann Photographik, Fotograf: Torsten Pross

Mehr Bewegung bei Energieeffizienz

Spezielle Anwendungen und Bedarfe benötigen dabei auch immer wieder ganz individuelle Lösungen. Bestes Beispiel: Die Mobilität und Energieversorgung der Zukunft, die auch in der Verteidigung immer stärker in den Fokus rückt. Eine mögliche Lösung ist die Brennstoffzelle – „gerade, wenn wir im Einsatz in unterschiedlichen Ländern schwere Fahrzeuge bewegen wollen, die große Distanzen zurücklegen und dabei unabhängig von Kraftstoffangebot oder Stromversorgung sein müssen“, sagt Krüger-Leineweber. Hier kann die Brennstoffzelle ihre Vorteile in Energiedichte, Autarkie und Speicherfähigkeit sehr gut ausspielen. In andere Einsatzszenarien wiederum sind Hybridaggregate oder Dieselmotoren mit höheren Abgaszertifizierungsstufen die effizientere Wahl. Der Schlüssel liegt immer im konkreten Anwendungsfall. „Insgesamt fordert die Europäische Union mit Blick auf Energieeffizienz und Emissionsreduzierung auch vom wehrtechnischen Markt mehr Bewegung.“

Jeibmann Photographik, Fotograf: Torsten Pross

Marktkräfte außer Kraft gesetzt

Um diesen Anforderungen gerecht zu werden, investieren Unternehmen und Ingenieure viel Zeit und Geld. Nicht selten gehen sie dabei ein hohes Risiko ein. „Die wehrtechnische Schlüsselindustrie muss kritische Technologien für die Verteidigung unserer Bundesrepublik und aller freiheitliche Demokratien bereithalten“, erläutert Dr. Stefan Stenzel. „Auf der anderen Seite der öffentlichen Auftraggeber fehlt es aber an einem Gesamtkonzept, an Forschungsförderung, an Planbarkeit und nicht zuletzt an einem klaren Bekenntnis zur verteidigungspolitischen Industrie. Das passt nicht zusammen.“

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Aktive, staatliche Industriepolitik notwendig

Ein Blick in andere Länder zeigt, wie von einer aktiven Industriepolitik beide Seiten profitieren. „Rüstungspolitik ist hoch reguliert und unterliegt strengstem Exportrecht, da sind die Marktkräfte außer Kraft gesetzt“, so Stenzel. „Wenn man also Fähigkeiten und Technologien als Fundament einer unabhängigen Sicherheitspolitik bereithalten will, muss der Staat in der Industriepolitik aktiv werden. Und man darf nicht jedes Jahr aufs Neue Forschungsgelder kürzen und in der nächsten Ansprache gleichzeitig betonen, dass die wehrtechnischen Betriebe das Rückgrat der Wirtschaft sind.“ Ein kritischer Punkt aus Stenzels Sicht ist zudem die Unzuverlässigkeit politischer Zusagen bei großen, strategisch bedeutsamen Beschaffungsvorhaben. „Als Unternehmer kann ich meine Investitionen in neue Technologien, Antriebsarten, Prozesse und Co. nicht planen, wenn jahrelang nur Angebote abgefordert werden, anstatt dass die Bestellung eintrifft.“ Viel nachzuholen also, um internationale Anforderungen an Einsatzbereitschaft und Technologiefortschritt unter einen Hut zu bekommen.

Jeibmann Photographik, Fotograf: Torsten Pross

Weitere Impulse und das vollständige Interview zum Nachhören gibt es unter https://www.ingenieur.de/technik/fachbereiche/medien/podcasts/technik-aufs-ohr-der-podcast-fuer-ingenieurinnen-und-ingenieure/.

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