(Keine) Raketenwissenschaft: die wichtigsten Abwehrsysteme der NATO erklärt

Timm Ziegenthaler / Getty Images

Nach dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine wurde nicht nur in Deutschland intensiv über die Anschaffung eines Raketenabwehrsystems diskutiert. Im Rahmen der „European Sky Shield Initiative“ (ESSI) bekannten sich im Oktober bereits vierzehn weitere Staaten bei einem NATO-Treffen dazu, die europäische Luftverteidigung gemeinsam zu stärken und bestehende Lücken zu schließen. Doch wie funktioniert ein solcher Schutzschirm? Und welche Technologie versteckt sich hinter den bewährten NATO-Abwehrsystemen wie Patriot und Arrow 3? Wir klären auf.

Wie funktioniert ein Schutzschirm?

Ein wirkungsvoller Schutzschirm besteht aus mehreren Systemen mit unterschiedlichen Reichweiten, die aufeinander aufbauen, miteinander verknüpft sind und sich wie eine Kuppel aufspannen. In einem bestimmten Luftraum erfasst ein Radar dabei alle beweglichen Objekte wie Flugzeuge, Raketen und Drohnen. Wird ein Feindkontakt erkannt, startet die Abwehrrakete. Diese kann in Zusammenarbeit mit dem Radar nachgesteuert werden, bis sie schließlich das Flugobjekt trifft und unschädlich macht.

Welche Rolle spielt dabei die Energieversorgung?

Die Herausforderung ist, immer so viel Energie zu liefern wie auch benötigt wird. Dabei setzen Abwehrsysteme auf immer leistungsfähigere Komponenten wie die neuste Radar-Generation vom Typ LTAMDS oder komplette Schutzschirme, die mitwachsen und per Plug-and-Fight-Funktion miteinander verknüpfbar sind. Gleichzeitig sind ressourcenschonende Komponenten gefragt. Emissionen, Kraftstoffverbräuche und damit die Einsatzkosten sollen möglichst gering ausfallen. Hybrid-Systeme können hier einen Mehrwehrt bieten, da sie den stationären Betrieb am Netz ermöglichen und damit effizienter sind.

Schon gewusst?

VINCORION liefert die Energie für das Radarsystem und den Raketen-Launcher von Patriot und den Launcher von IRIS-T.

Welche Abwehrsysteme sind bei der NATO im Einsatz?

Patriot (aktuelle Version: Patriot PAC-3 MSE)­ gehört zu den bekanntesten Abwehrsystemen. Es ist bereits seit den 1980er Jahren auf dem Markt und wird vom Hersteller Raytheon ständig weiterentwickelt. Der Patriot-Lenkflugkörper kann bis zu fünf Ziele, zum Beispiel ballistische Raketen, gleichzeitig bekämpfen. Patriot gibt es in verschiedenen Reichweiten. So kommt die Variante, die derzeit bei der Bundeswehr im Einsatz ist, auf 70 Kilometer. Die Ukraine warb erst kürzlich um die Lieferung eines Patriot-Systems bei der US-Regierung – die Entscheidung ist noch ausstehend.

THAAD (Terminal High Altitude Area Defense) ist ein US-amerikanisches System, das von den USA und den Vereinigten Arabischen Emiraten genutzt wird. Mit einer mittleren Reichweite von rund 200 Kilometern kann THAAD Raketen in der letzten Phase ihres Fluges aufhalten.

IRIS-T ist noch neu auf dem Markt. Das deutsche Abwehrsystem nutzt jedoch erprobte Raketen, die auf einer früheren Entwicklung für den Eurofighter basieren. IRIS-T kann mit einer Reichweite bis zu 40 Kilometern Jets, Hubschrauber, Kurzstreckenraketen, Drohnen und Lenkflugkörper bekämpfen. Ein erstes Exemplar wurde gerade an die Ukraine geliefert, im Laufe des Jahres 2023 sollen drei weitere dazukommen. Ein zukünftiger Einsatz bei der Bundeswehr ist wahrscheinlich.

Arrow 3 kann Lang- und Mittelstreckenraketen mit einer sehr hohen Reichweite abfangen. Das Abwehrsystem hat sich als sehr flexibel erwiesen, feindliche Raketen sollen durch direkte Treffer zerstört werden. Die Entwicklung begann bereits 1986 in Israel unter Beteiligung der USA. Aktuell plant Deutschland eine Anschaffung von Arrow 3 für den äußeren Teil der Schutzschirme, die sich wie Kuppeln aufbauen.

SAMP/T ist seit 2002 im Einsatz. Gefertigt wird es in Frankreich und Italien. Das Abwehrsystem kann mit unterschiedlichen Raketen bestückt werden, die eine Reichweite zwischen 30 (Aster 15) und 120 Kilometern erreichen (Aster 30). Die Raketen sind kleiner als beim Patriot-System.

NASAMS wird nicht nur in Litauen und den Niederlanden genutzt, die USA unterstützt mit dem Abwehrsystem auch die Ukraine. Eine Einheit wurde bereits dorthin geliefert, bis zu sieben weitere sollen folgen. Die aktuelle Version NASAMS 3 erreicht dabei eine Reichweite von bis zu 50 Kilometern. Es kann mit Patriot gekoppelt werden, das für größere Reichweiten gedacht ist.

S-300 und S-400 sind derzeit auf der russischen Seite im Angriffskrieg im Einsatz. Untersuchungen der NATO bescheinigten den Systemen geringere Trefferquoten als Patriot. Bei den jüngsten Raketenanschlägen wurden damit Abfangquoten von bis zu 50 Prozent erzielt. Über das S-300 mit einer Reichweite von 75 bis 100 Kilometern verfügt auch die Ukraine. Das Abwehrsystem machte kürzlich Schlagzeilen, als ein Irrläufer eine Explosion im Südosten Polens verursachte.

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